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Publikation: Ad plures ire. Über literarische Antizipation nach Walter Benjamin

News from Oct 27, 2022

In seiner Studie Ad plures ire. Über literarische Antizipation nach Walter Benjamin untersucht Simon Godart, Postdoktorand in Research Area 3: „Future Perfect“, wie textliche und gedankliche Gesten der Vorwegnahme ihre eigenen Rezeptions- und Antizipationsgemeinschaften als temporal communities hervorbringen.

Im Zuge der Arbeit der Research Area 3 "Future Perfect" hat Godart sich dabei der Antizipation als eigenständiger literarischer Kategorie angenommen, in der – ganz im Sinne der Jahrestagung "Anticipating Modernities", die vom 6.- 8. Juli 2022 am Cluster stattfand – die Zeiten aus den Fugen geraten: Antizipation(en), die in der Literaturgeschichte aufbewahrt wurden, sind vergangene Vorwegnahmen, die in ihrer heutigen Lektüre eine noch ihre eigene Zukunft vorhersehen und vorhersagen wollen. Diese Momente einer Viel- und Eigenzeitlichkeit gehen über die einzelnen Beteiligten hinaus; Antizipationen gehören weder allein dem*der Autor*in, noch der Leser*in, sondern spannen zwischen ihnen eine eigene Welt der literarischen Kommunikation auf.

Literarische Kommunikation findet zwischen mehreren Zeiten statt, sie geht über ihre jeweiligen Schreibszenen hinaus, indem sie sich an die Nachwelt richtet, und erzeugt so unübersichtliche, unbeherrschbare und unabsehbare Kollektive – sie spricht zu einem Wir, das sie vorwegnehmen muss und doch nur erwarten kann. Das Futur II der Antizipation als Traum einer Zukunft, die noch nicht eingetreten ist und doch schon adressiert werden kann, lässt sich – mit Ovid, Montaigne, Lacan und schließlich mit Benjamin – als ein „Ad plures ire“ verstehen, als ein Zu den vielen, meisten gehen. Die Nachwelt der Philologie, die immer wieder aufs Neue die Antizipation der Vergangenheit wiederholt, steht in einem beständigen Dialog zwischen Lebenden und Toten, der sich zugleich immer wieder an eine offene Zukunft, ein Anwachsen des gemeinten Kollektivs richten muss; in der logisch unmöglichen, jedoch unverzichtbaren Vorwegnahme der vielen kommenden Lektüren. Godart zeigt, dass im Schreiben immer auch eine Hoffnung im Vergangenen aufbewahrt wird, die die Ordnung der Zeit unterläuft und die mitgelesen sein will.

Die Publikation ist im Oktober 2022 im Passagen Verlag (Wien) erschienen.

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