(Expired) Call for Papers | Manifeste der Theorie: Schreibweisen und Stilformen einer Textsorte
Workshop | 13. - 14. Juli 2023 --- Deadline 15.04.2023
News from Mar 27, 2023
Organisiert von Michael Gamper und Oliver Simons im Rahmen des Projekts "Theoriezirkulationen. Themen, Prozesse und Geschichten einer globalisierten Schreibweise."
Etymologisch ist das Manifest dem lateinischen manifestus entlehnt, das wörtlich als "offenbar", "augenscheinlich" oder "handgreiflich" zu übersetzen wäre. Als Textform hingegen wurde das Manifest vor allem mit agonistischen Programmschriften in Verbindung gebracht, die wie die Deklaration, das Pamphlet, die Verfassung oder auch der Katechismus auf die effektive Durchsetzung ihrer Position bedacht ist. Seit Karl Marx und Friedrich Engels ihr Kommunistisches Manifest 1848 erstmals veröffentlichten, wurde das Manifest als Genre und Schreibform vielfach aufgegriffen und variiert: Als öffentlichkeitswirksamer Sprechakt von Souveränen wie Kaiser Franz Joseph, der seine Kriegserklärung "Manifest" genannt hatte, oder auch als auch politische Oppositionsschrift von Revolutionsparteien. Spätestens seit den europäischen Avantgarden hat das Manifest zudem eine eigentümliche Literatur- und Stilgeschichte. Die Manifeste des Futurismus, Dada und Surrealismus erklären ihre jeweiligen ästhetischen Programme in einer spezifischen Schreibweise.
Bemerkenswert ist, dass in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend auch Theorie-Positionen mittels der Textform des Manifests propagiert wurden. Alan Badiou etwa hat nicht nur das kommunistische Manifest ausführlich behandelt, sondern auch seine eigene philosophischen Manifeste verfasst; zu denken wäre ferner an Donna Haraways Cyborg Manifesto, 1985 erstmals erschienen, an Rita Felskis Uses of Literature in der Buchreihe Blackwell Manifestos, das in vielerlei Hinsicht grundlegend für ihre späteren anti-theoretischen Texte ist, oder an Bruno Latours "An Attempt at a 'Compositionist Manifesto'" von 2010. So unterschiedlich diese Publikationen sein mögen, sie alle greifen auf dasselbe Genre zurück, um sich gegen bestehende Konventionen in der Theoriegeschichte auch und vor allem mittels eigener Schreibweisen und Stilformen zu positionieren.
Ziel des Workshops ist es daher, die Geschichte des Genrestils theoretischer Manifeste mittels einschlägiger Beispiele zu diskutieren. Zu fragen wäre dabei, welche Öffentlichkeits- und Verbreitungsstrategien die jeweiligen Texte mit dem Genre verfolgen? Welche verwandten Textsorten finden sich in der Geschichte der Theorien, und von welchen Genres unterscheiden sie sich? Welche Argumentationsstile sind in den jeweiligen Texten zu beobachten, und inwiefern dienen sie der Herausbildung eigener Schreibweisen? Von welchen latenten Theoriestilen suchen sich die Texte jeweils abzugrenzen? Und schließlich: Lassen die jeweiligen Textbeispiele Rückschlüsse auf eine allgemeine Geschichte theoretischer Schreibweisen zu?
Erbeten werden Vorschläge für Textbeispiele und kurze einführende Präsentationen. Eine Auswahl von entsprechenden Textpassagen soll vorab zugänglich gemacht werden.
Interessensbekundungen bis zum 15.04.2023 entweder für einen Textvorschlag inkl. Kurzpräsentation der konkreten Problemstellung des Textes oder auch für eine Teilnahme als Diskutant:in an michael.gamper@fu-berlin.de.