Folge XI – Erinnern und Vergessen. Ein Gespräch von Maria Weissenböck und Alexander Kratochvil zu Sofija Andruchowytschs ukrainischem Roman Amadoka
In der elften Folge der Translation Talks sprechen Maria Weissenböck und Alexander Kratochvil über ihre gemeinsame Arbeit an der Übersetzung des Romans Amadoka der ukrainischen Schriftstellerin Sofija Andruchowytsch. Um die zentralen Themen Erinnern und Vergessen kreisend, umfasst der Roman ca. 100 Jahre ukrainischer Geschichte, wobei verschiedene Zeitebenen von den 1920er Jahren der Sowjetukraine über die Zeit des zweiten Weltkriegs bis hin zur russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 miteinander verknüpft werden. Innerhalb dieses erzählerischen Experiments wird dabei immer wieder die Frage aufgeworfen, welche – kollektiven und individuellen – Erinnerungen überhaupt zugelassen werden. Daran anschließend hinterfragt die Folge kritisch, wie der Krieg, der seit der Krimannexion im Osten der Ukraine herrscht, von der europäischen Staatengemeinschaft schon vergessen wurde, bevor er überhaupt vorbei ist. Und erst die schrecklichen Ereignisse, die sich derzeit im Zuge des russischen Angriffskriegs im ganzen Land abspielen, scheinen diese Erinnerungen wieder wachzurufen. Dass die Vergangenheit stets latent in der Gegenwart anwesend ist, ist also nicht nur Thema des Romans, sondern auch etwas, was sich an den momentanen realen Geschehnissen ablesen lässt. Und so scheinen die vom Roman aufgeworfenen Fragen rund um den Umgang mit historischen Ereignissen, totalitären Regimes und ihren Kriegshandlungen, dem Brechen von Menschen, Erinnerungen, Psychen und Kulturen, mehr denn je Fragen unserer Zeit zu sein.