Übersetzen im Gespräch/Translation talks: Veranstaltungsreihe
In der Reihe "Übersetzen im Gespräch" finden Veranstaltungen statt, die sich mit den Themen Übersetzen und literarische Mehrsprachigkeit befassen. In diversen Formaten wie Workshops, Vorträgen, Lesungen und Gesprächen mit Autor*innen, Übersetzer*innen oder Wissenschaftler*innen werden gemeinsam Fragen des mehrsprachigen Schreibens und des Übersetzens diskutiert. Die jeweilige eigene Praxis der Gäste als Ausgangspunkt nehmend, möchte die Reihe sowohl die alltäglichen Fragen und Problematiken in den Fokus rücken, als auch Raum für theoretische Überlegungen zu Translation und literarischer Mehrsprachigkeit bieten.
9. Juni 2023 | Laute Plakate: Übersetzungswerkstatt und akustische Ausstellung – zur Sichtbarmachung gesprochener Literatur
Literarische Texte existieren selten nur in schriftlicher Fassung, als Buch. Es gibt sie häufig zugleich auch in gesprochener Form: aufgeführt auf Bühnen, aufgezeichnet auf Tonbändern oder als Audiodatei. Nicht erst seit dem Boom der Podcasts und digitalen Hörformate wird Literatur gesprochen, aufgenommen und gehört – schon im 20. Jahrhundert haben zahlreiche Autor*innen Audioaufnahmen ihrer Texte und Stimmen hinterlassen. In den Archiven sind sie aber schwer zugänglich und bleiben, selbst wenn sie online abrufbar sind, weitgehend unsichtbar. Sie werden kaum gehört oder, wenn man so will, kaum gelesen. Aber wie können solche Aufnahmen aus den Archiven hervorgeholt und als akustische Texte sichtbar und lesbar gemacht werden?
Das Übersetzungsprojekt "Mündliche Typografie – Akustische Visualität" hat nach möglichen Antworten gesucht. Drei Grafikdesigner*innen wurden zu dem Experiment eingeladen, eine Auswahl gesprochener und gebärdensprachlicher Texte in Plakatgestaltungen zu übersetzen: in laute Plakate. Diese zeigen zwar schriftlichen Text, versuchen aber zugleich, die Besonderheiten des Gesprochenen und Performativen aufzugreifen: Stimme, Tonfall, Lautstärke, Dynamik, Rhythmus, Bewegung, Körperlichkeit, das Knacken des Mikrofons, das Lachen des Publikums. Dabei sind zwölf Plakate entstanden, die die gesprochenen und performten Texte lautstark sichtbar machen. Sie sollen die hörbaren Texte nicht ersetzen, sondern als visuelle Verstärker dienen: Zusammen bilden Plakate und Aufnahmen die Ausstellung, zusammen müssen sie gehört und gesehen, sprich: gelesen werden.
6. Juni 2022 | Lesung und Künstlerinnengespräch mit Sophie Seita: Translation as Reading, as Movement, as Pedagogy
In einer von Lena Hintze und Anna-Sophie Luhn organisierten Veranstaltung stellte die Übersetzerin, Wissenschaftlerin und Künstlerin Sophie Seita ihr Projekt My little Enlightenment Plays vor, das sich in drei experimentellen Performance-Stücken nicht nur auf kritisch-spielerische Art mit der Aufklärung und ihren Dichtern und Denkern befasst, sondern auch einen experimentellen und erweiterten Zugang zu Übersetzungsfragen sucht. Ihre Arbeit als queer-feministische Praxis verstehend, in der sie um- und neuschreibt, in (andere) Sprache und Ton übersetzt, visualisiert und mit verschiedenen Medien, Formen und Formaten spielt, geht es Seita um einen kollaborativen Prozess, der nicht zuletzt auf ein weites Verständnis von Übersetzung abzielt. Und so schlägt sie in ihrem Essay Let it percolate. A Manifesto for Reading, den sie während der Veranstaltung vorlas, eine „Pädagogik des Sickerns“ vor. Dabei denkt sie die Praktiken des Lesens, Schreibens und Übersetzens zusammen, sodass nicht nur ein Dialog mit dem Text, sondern auch eine physische Erfahrung entsteht. Translationales Lesen, so plädiert Seita, eröffnet also einen kreativen und spielerischen Raum, in dem Zuwendung und care genauso ihren Platz finden wie Unvorhergesehenes und Frivoles. Genug Anknüpfungspunkte für eine lebendige Diskussion mit dem Publikum also, in der nicht zuletzt auch Fragen des Übersetzens im (post)kolonialen Kontext diskutiert werden konnten.
Mehr zu Sophie Seita und ihrer Arbeit hier sowie auf www.sophieseita.com.
20. Mai 2022 | Workshop "Schreiben und Übersetzen mit Akzent"
Was heißt es, in Deutschland Arabisch zu schreiben und zu übersetzen? Wie sieht eine literarische Mehrsprachigkeit heute aus, die in diesem Feld angesiedelt ist? Und was hat das mit kolonialer Vergangenheit und ihren Spuren zu tun? In Lesungen, Vorträgen, szenischem Spiel und natürlich im Gespräch wurde diesen Fragen während des eintägigen deutsch-arabischen Workshops nachgegangen. Mit Rasha Habbal, Ahmad Katlesh, Philip Kazmiérczak, Anke Bastrop, Leila Chammaa, Sandra Hetzl, Mohammad Diban und Hanan Natour kamen Stimmen von Autor*innen, Übersetzer*innen und Wissenschaftler*innen zusammen, die gemeinsam einen Blick auf Anerkennungspolitiken, dekoloniale Bestrebungen und eine deutschsprachige Verlagswelt, welche von marktökonomischen Überlegungen geprägt ist, warfen. Was macht es mit arabischen Texten und ihren Autor*innen, wenn diese erst und vor allem im Kontext geopolitischer Krisen für den deutschen Buchmarkt interessant werden? Aus der eigenen Erfahrung und Praxis sprechend, erörterten die Teilnehmenden den Umgang mit metaphorischen Übersetzungen und die Frage nach Auto-Orientalismus im Text. Es ging um Sprachwahl als Positionierung, Vatersprachen und Musikalität in der Sprache. Und nicht zuletzt um die Katze im Sack. Diese und weitere Aspekte der Diskussion lassen sich auch in Raguel Roumers Illustration nachvollziehen, die eine bildsprachliche Begleitung und Übersetzung des Workshops darstellt und zeigt, dass Übersetzung nicht nur eine intersprachliche Angelegenheit sein muss.
Illustration von Raguel Roumer (Gesamtansicht)
22. April 2022 | Übersetzen im Gespräch – Workshop und Studientag mit Tanja Handels
Wie wird man die Übersetzer*in, die man ist? Und wie wird man überhaupt Übersetzer*in? Tanja Handels ist für einen Vortrag mit Diskussion und einen Seminar mit vorab verteilten Textpaketen für eigene Übersetzungsversuche zu uns gekommen. Sie erzählte uns von ihrem Berufsalltag und seinen Herausforderungen, und auch, wie sie schließlich zu den Texten von Zadie Smith und Bernardine Evaristo kam, für deren Übersetzungen sie heute bekannt ist. Am Beispiel der ersten Seiten des Romans Mr Loverman von Bernardine Evaristo wurde gemeinsam das sogenannte „gläserne Übersetzen“ erprobt und dabei diskutiert, wie sich postkolonialer Mehrsprachigkeit im Englischen in der deutschen Übersetzung gerecht werden lässt. Eine Diskussion, in der auch Platz war für die politischen Fragen des Übersetzens – denen Handels (als weiße Übersetzerin Schwarzer Literatur) in ihrem Arbeitsalltag immer am konkreten Text und mit einem ständigen Lern- und Reflexionsprozess zu begegnen versucht.
Mehr zu Tanja Handels und ihrer Arbeit: www.tanja-handels.de