Organised by Jutta Müller-Tamm and Lukas Nils Regeler, Research Area 4: "Literary Currencies".
Anknüpfend an Georg Lukács’ Etikettierung der historischen Avantgarden als »subjektivistische, verzerrte und entstellte Stimmungsnachklänge der Wirklichkeit«, waren (post-)avantgardistische Schreibweisen in der DDR-Programmatik des sozialistischen Realismus kaum vorgesehen. Dennoch lassen sich vor allem in den 1970er und 1980er Jahren Störungen und Modifikationen dieser offiziellen Ausklammerung beobachten: Etwa über persönliche Lesarten und Rezeptionskonstellationen von Autor:innen, über die Herausbildung von literarischen Szenen (vgl. die oft als »DDR-Avantgarde« betitelte Literaturszene vom Prenzlauer Berg) oder über die öffentlichkeitswirksame Umwertung der Avantgarden etwa in Literaturwissenschaft und Feuilleton.
Im Workshop möchten wir den facettenreichen Bezugnahmen auf die Avantgarden an verschiedenen Stellen des Literatursystems DDR nachspüren: Wie wirkten sich post- oder neoavantgardistische Schreibweisen auf die Wahrnehmung der Autor_innen aus, auch im deutsch-deutschen Spannungsfeld? Lassen sich Zusammenhänge zwischen der späten gesellschaftlichen Würdigung der Avantgarden und den individuellen Rezeptionshaltungen von DDR-Autor_innen herstellen? Inwiefern legt das Interesse an stark transnational ausgerichteten Strömungen (wie Futurismus, Dada oder Surrealismus) Zeugnis ab über eine zunehmende Internationalisierung des ›Leselandes DDR‹? Birgt die bewusste Adaption avantgardistischer Traditionsmuster schließlich auch politische Implikationen?
Der Workshop versucht sich in Form von zehn Vorträgen diesen und weiteren Fragen zu nähern und wird begleitet durch studentische Beiträge des Masterseminars »Literatur des Prenzlauer Bergs«. Die Vorträge und Diskussionen finden in deutscher Sprache statt.
Die Tagung wird online über die Plattform Cisco Webex Meetings veranstaltet. Weder ein eigener Account noch ein Download der App ist zur Teilnahme erforderlich. Damit Sie die Zugangsdaten rechtzeitig erhalten, bitten wir jedoch um eine Anmeldung bis zum 15. Juli 2021 an lukas.regeler@fu-berlin.de.
Programm
Montag, 19. Juli 2021
14:00 Uhr | Jutta Müller-Tamm (FU Berlin): Einführung
14:25 Uhr | Birgit Dahlke (HU Berlin): Mierau, Schlenstedt, Barck und die alltägliche Arbeit am Kanon
14:50 Uhr | Henrike Krause (FU Berlin): »One’s mind must be criss-crossed like the palm of one’s hand« – Psyche, Körper und Geschlecht bei Virginia Woolf, Charlotte Wolff und Christa Wolf
Diskussion und Pause
16:00 Uhr | Heinz-Peter Preußer (Bielefeld): Moderner linker Konservatismus – Erich Arendt als Leitfigur der zivilisationskritischen DDR-Literatur
16:25 Uhr | Anna Horakova (Easton, PA): »dass kommunismus / kommen muss«: Bert Papenfuß’ anti-teleologische Dichtung
Diskussion und Pause
17:30 Uhr | Beiträge von Studierenden des Masterseminars: »Literatur des Prenzlauer Bergs« Isabelle Bublies, Sara Cecchini, Stefanie Goebel, Julia Hubernagel, Laura Kiefer, Sarah Mahlberg, Hannah Würsching
Gespräch und Abschluss
Dienstag, 20. Juli 2021
14:00 Uhr | Lukas Nils Regeler (FU Berlin): »Meine Gedanken – reisefertig«. Elke Erb und Raja Lubinetzki im Wechselspiel der Avantgarden
14:25 Uhr | Carola Hähnel-Mesnard (Lille): Manifeste in selbstverlegten Zeitschriften zwischen Aktivismus, Parodie und kritischer Avantgarde-Reflexion
Diskussion und Pause
15:30 Uhr | Christoph Tannert (Berlin): Intermedia – Grenzüberschreitungen zwischen Text, Bild und Klang in der späten DDR
Diskussion und Pause
16:30 Uhr | Valentina Di Rosa (Neapel): Das letzte Jahrzehnt. Zur Rezeption experimenteller Lyrik der 80er Jahre im westöstlichen Spannungsfeld
16:55 Uhr | Erk Grimm (Barnard, NYC): Berührung war keine Randerscheinung: Ostdeutsche Lyrik im Museum der modernen Poesie?
Diskussion und Abschluss