Organisiert von Simon Godart, Research Area 3: "Future Perfect" and Nicola Zambon (Freie Universität Berlin).
Zwanzig Jahre nach Jacques Derridas Tod hat sich sein Werk fest im Kanon der Geisteswissenschaften verankert. Konzepte seiner späteren Schriften – wie das Archiv, Gastfreundschaft, die "Hauntologie", das Geschenk und die Tierphilosophie – werden prominent rezipiert und weiterentwickelt. Nicht zuletzt seine Arbeiten zur Zeit, etwa Zeit geben oder Marx' Gespenster, üben einen nachhaltigen Einfluss auf gegenwärtige Debatten zum "temporal turn" aus.
Im Gegensatz zu dieser methodologischen Prominenz hat das Initialprojekt der Dekonstruktion, das er seit der Grammatologie verfolgte, an Bedeutung verloren. Derrida, der sich stets auch in Bezug zur Literatur situierte und sich kritisch und reflexiv mit dem Kanon von Philosophie und Dichtung befasste, bestimmt die Leitlinien seines Projektes in engem Austausch – oder eben: in Lektüren und in Dekonstruktionen – von Referenztexten, solchen von Zeitgenossen – etwa Foucault, den Strukturalisten, Searle, Habermas – aber auch von historischen und vormodernen Texten – Kant und Hegel, Marx, Platon, Rousseau – die dem Unternehmen Derridas in gleichem Maße Material und Modell sind. Die temporal communities, die Derridas Lektüreverfahren gestiftet haben, werfen ein neues Licht auf die methodischen Schlagworte, die sich aus seinem Werk in den Geisteswissenschaften verbreitet haben, und laden zur kritischen Reflexion der eigenen Methodik der Literaturwissenschaften ein.
Der Workshop widmet sich diesen Fragen und will den Stellenwert unterschiedlicher syn- wie diachroner Dialoge und Kontroversen für das Werk Derridas untersuchen. Die Veranstaltung bringt Expert:innen aus der Philosophie an den EXC 2020 und richtet sich an alle Mitglieder sowie die akademische Öffentlichkeit.
Ziele:
- Beitrag zur Derrida-Forschung und Reflexion der gegenwärtig prominenten Begriffe seines Werkes
- Rekonstruktion der historischen Settings und Bezüge, in denen Derrida schreibt, als 'temporal communities'
- Verhandlung des Verhältnisses von Literatur und Philosophie unter dem Gesichtspunkt der "Lektüren"; Doing philosophical/historical history
- Diskussion der 'deep time'-Perspektive auf Derrida und ihren Beitrag zur methodischen Konstitution seines Projektes
Programm
Freitag, 9. Mai 202510:00 | Simon Godart und Nicola Zambon: Begrüßung und Einführung
10:15–11:15 | Diego D'Angelo (Julius-Maximilians-Universität Würzburg): Das Weltbürgerrecht als Unmögliche Aufgabe. Derrida Liest Kant
11:15–12:15 Gerald Posselt (Universität Wien): Jacques Derrida über Wahrheit und Lüge im Ethisch-Politischen Sinne
12:15–13:30 | Mittagspause
13:30–14:30 | Thomas Bedorf (FernUniversität Hagen): Zeit-Zeichen. Derridas Phänomenologie der Nachträglichkeit
14:30–15:30 | Nicola Tams: Dekonstruktion von Nähe in der Ko-Responsivität. Ein Dialog zwischen Derrida und Nancy unter Berücksichtigung der Korrespondenzen
15:30–16:00 | Pause
16:00–17:00 | Eva-Maria Aigner (Universität Wien): Derrida Überleben
17:00–18:00 | Friederike Allner (Freie Universität Berlin): "Préjugés. Vor dem Gesetz"
18:30 | Susanne Lüdemann (Ludwig-Maximilians-Universität München): Vom Unbewussten Her. Derrida, die Philosophie, die Psychoanalyse
Samstag, 10. Mai 202510:00–11:00 | Anne Eusterschulte (Freie Universität Berlin/EXC 2020): Kofman-Derrida / Derridas Ästhetik
11:00–11:15 | Kaffeepause
11:15–12:15 | Sepid Birashk: Titel tba
12:15–13:15 | Matthias Flatscher (Julius-Maximilians-Universität Würzburg): Recht und Gerechtigkeit bei Hannah Arendt und Jacques Derrida
13:15–14:30 | Mittagspause
14:30–15:30 | Simon Godart: Avant la Lettre. Derrida Liest Heidegger 1964
Time & Location
May 09, 2025 - May 10, 2025
Freie Universität Berlin
EXC 2020 "Temporal Communities"
Raum 00.05 & 00.07
Otto-von-Simson-Straße 15
14195 Berlin
Further Information
Simon Godart, simon.godart@fu-berlin.de