Lesung | Buchpräsentation »Das Lächeln des Dionysos« von Konstantine Gamsachurdia
Georgische Nationalliteratur vs. Sowjetliteratur – Buchpräsentation »Das Lächeln des Dionysos« von Konstantine Gamsachurdia. Lesung des Übersetzers Zviad Gamsachurdia.
Organisiert von Katharina Wicht und Samira Spatzek, Research Area 1: "Competing Communities" in Kooperation mit dem Parrhesia Verlag. Moderiert von Susanne Frank.
Konstantine Gamsachurdia (1893–1975) gehört zu den meistgelesenen Schriftstellern der georgischen Literatur des 20. Jahrhunderts und mit seinem Frühwerk zu den wichtigsten Vertretern der europäisch orientierten Moderne.
Seine jungen Jahre, während des Ersten Weltkriegs, verbrachte Gamsachurdia zum Studium in Deutschland, wo er 1918 an der Berliner Universität im Fach Geschichte promovierte. Zurück in der Heimat setzte er sich 1919-21 für die unabhängige "Demokratische Republik Georgien" ein und lehrte als Professor für deutsche Literatur an der neugegründeten Universität in Tiflis. Als Georgien 1921 von den Bolschewiki annektiert wurde, widersetzte er sich, wurde verfolgt und ging 1923 für ein Jahr nach Paris. Nach der Rückkehr wurde er massiv verfolgt und überlebte ein Jahr Lagerhaft im russischen Norden. Später arrangierte er sich notgedrungen mit dem Regime und wurde zu einem der meistgelesenen georgischen Autoren der Sowjetunion. Dass er noch in Lagerhaft Goethe und Dante ins Georgische übertragen hatte, könnte zu seinem Überleben beigetragen haben.
Das Lächeln des Dionysos ist Gamsachurdias erster Roman, an dem der Autor seit 1916 im Exil wie auch in Georgien schrieb. Er erschien 1925 in Tiflis. Von der sowjetischen Presse wurde er als "dekadent", "psychologisierend" und "ästhetizistisch" verrissen, aber dennoch sogleich auch in russischer Übersetzung herausgebracht. Das Lächeln des Dionysos ist ein herausragendes Beispiel modernistischer Prosa und gehört zum Kernbestand einer reichen und vielfältigen georgischen Moderne. Nach den (v.a. russischsprachigen) georgischen Futuristen und Dadaisten und den am Symbolismus orientierten Dichtern der Gruppe "Blaue Hörner" waren es v.a. Micheil Javakhishvili, Grigol Robakidze und eben Konstantine Gamsachurdia, die mit ihren Romanen der 1920er-Jahre die georgische Literatur als unabdingbaren Bestandteil der internationalen Moderne etablierten, bevor ab der Mitte der 1930er-Jahre das Diktat des Sozialistischen Realismus dieser Entwicklung ein brutales Ende setzte.
Das Lächeln des Dionysos ist durch den Symbolismus, den deutschen Expressionismus und die Lektüren von Proust und Joyce inspiriert, wobei Gamsachurdia in faszinierender Weise die Verfahren der modernistischen, sprachschöpferischen Prosa mit sprachlichen Anleihen aus der historischen Tiefe und regionalen Vielfalt der georgischen Sprache kombiniert und so einen ganz besonderen Stil entwickelt.
Time & Location
Apr 18, 2024 | 06:00 PM
Freie Universität Berlin
EXC 2020 "Temporal Communities"
Raum 00.05
Otto-von-Simson-Straße 15
14195 Berlin