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Workshop | Utopie und Idylle - Zeitlichkeit von Unort und locus amoneus

Dec 03, 2020 - Dec 04, 2020

english | deutsch

Organisiert von Simon Godart (EXC2020, RA3) und Andreas Strasser (Princeton University).

Utopien und Idyllen stellen spezifische Modi räumlicher wie zeitlicher Entrückung dar. An sagenhaften Unorten und in idealen Szenarien wird eine andere Welt entworfen, in der sowohl die einzelmenschliche Erfahrung als auch ein alternatives Gemeinschaftskonzept verhandelt werden können. Idyllen gestalten oftmals eine temporale Statik oder Zyklik einer Ur-, Vor- oder Idealzeit, die in Spannung zur historischen Zeit steht. An den entrückten idyllischen Orten verdichtet sich erfüllte Zeit als bewegte Ruhe, in der sich eigenzeitliche Verhältnisse von Mensch und Natur entfalten. Utopische Szenarien sind Gesellschaftsdarstellungen, die ihre Zeitlichkeit als eigengeschichtliche Dynamik beschreiben. Andere Welten, in denen andere Gesetze und andere Traditionen gelten, spiegeln zugleich in Kontrast und Kontinuität die Welt, der sie entspringen und an die sie adressiert sind, wider.

Idylle und Utopie haben das Schicksal einer gattungsgeschichtlichen Einengung erfahren, die das Aufkommen beider Erzählmodi an spezifische geistesgeschichtliche Epochen bindet und insbesondere als Phänomen der europäischen Neuzeit fassen will. Die Behauptung, die Zeit für Utopien und Idyllen sei auf diese Zeit- und Kulturräume begrenzt, und damit vorüber, kann aber weder im historischen Vergleich, noch mit einem Blick jenseits der europäischen Traditionen aufrecht erhalten werden. Sowohl in Entwürfen des Mittelalters als auch in den Literaturen des 20. Jahrhunderts lassen sich utopische und idyllische Momente identifizieren, deren Vergleich erlaubt, Utopie und Idylle im Hinblick auf die Spannung zwischen dem Jenseits der Geschichte und dem Diesseits des Fortschritts, das sie gestalten, neu zu überdenken.

Die Zeitlichkeitsentwürfe der hier verhandelten entrückten Gesellschaften, so die Vermutung für unsere Veranstaltung, lassen sich dann weder auf die neuzeitliche Vorstellung einer zu erobernden Welt, noch auf die „Verzeitlichung“ der Utopie im Zuge der europäischen Aufklärung im Sinne Kosellecks reduzieren. Utopien und Idyllen als temporal communities zu verstehen, bedeutet, die historische und transkulturelle Funktion dieser anderen literarischen Orte mit ihren Verhandlungsformen der eigenen Zeitlichkeit zusammenzudenken. 

Wegen der allgemeinen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wird die Tagung voraussichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen. Über Modalitäten der Teilnahme in digitale Form wird zeitnah informiert.

Programm

Donnerstag, 3. Dezember 2020

10:00–10:20 | Begrüßung und Einführung

10:20–12:00 | Viewing Time

Andreas Strasser: Keine Zeit für schöne Orte. Genre History and Obstinacy of the Idyll Bethany Whalley: The Temporalities of Place and Non-Place in the Thames Estuary Ron Sadan: “Ein ander Mal will ich über die Bedeutung des Idylls schreiben.“ Three senses of the idyll in Robert Walser

12:00–13:30 | Diskussion (in englischer Sprache)

13:30–14:30 | Mittagspause

14:30–15:30 | Viewing Time

Louis Berger: Land of Angels Utopien des Trostes an der Epochenschwelle Daniel Queiser: "the enlarging of the bounds of Human Empire, to the effecting of all things possible." Zum Zusammenhang von Utopie, Technik und Endzeit in Francis Bacons Nova Atlantis

15:30–16:30 | Diskussion

16:30–17:30 | Viewing Time

Marie Helen Klaiber: „Durch Rost der stillen Zeit“ – Martin Opitz’ Zlatna zwischen Überzeitlichkeit und Geschichte Tilo Renz: Bewegte Utopien zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit 

17:30–18:30 | Diskussion

Freitag, 4. Dezember 2020

10:00–11:00 | Viewing Time

Nils Jablonski: "The Golden Age Is Over" – Idyllische Zeitregime Simon Godart: Polyphem singt

11:00–12:00 | Diskussion

12:00–15:30 | Viewing Time und Mittagspause

Ruben Schenzle: Wunsch und Zeit in Ibn Ṭufails Inselroman Ḥayy ibn Yaqẓān  Hanna Trauer: Aufstieg und Rückzug des Ḥayy ibn Yaqẓān: Ibn Ṭufails Insel als Idyll

15:30–16:30 | Diskussion

16:30–17:30 | Viewing Time

Lea Fink: Bloch und Utopie Ursula Baur: Ernst Blochs Idylle und geteilte Erinnerungskultur

17:30 – 18:30 Diskussion

Die synchron abgehaltenen Diskussionsrunden werden per Videokonferenz stattfinden, während für die aufgezeichneten Beiträge der Vortragenden jeweils einige Zeitfenster ("Viewing Time") zwischen den Diskussionsrunden eingeplant sind.

Falls Sie an einer Teilnahme interessiert sind, melden Sie sich bitte bis zum 30. November 2020 bei simon.godart@fu-berlin.de.

Time & Location

Dec 03, 2020 - Dec 04, 2020

Der Workshop wird online auf Webex stattfinden.